Fassbinder

„Als sie sich kennen lernten, war er ein schweigsamer, schüchterner Junge, der alles aus seiner Ecke heraus beobachtete. Er isolierte sich. Und sie hatte noch an den Folgeerscheinungen ihrer Krankheit zu tragen: verspätete Hänsel und Gretel: die Unberührbare und der Stumme, eine ganze Menge Zeit war seit jenem Wintermorgen vergangen, als er jenes frisch gebügelte weiße Hemd anhatte. Trotz seiner Eifersuchtsszenen und seinen Wutanfällen war er oft sehr aufmerksam und rücksichtsvoll zu ihr, wie früher.”*
*Auszug aus: Jean-Jacques Schuhl, „Ingrid Caven“, Eichborn Verlag

“Ich war ‘seine Frau‘. Das wunderte mich am Anfang immer, diese beiden Wörter zu hören, wenn er, sehr kleinbürgerlich, sehr comme il faut , sagte: ‘Ich möchte ihnen meine Frau vorstellen …‘ Andere wunderte das übrigens auch, aber aus anderen Gründen: Sie mussten lächeln, und diesen Anflug eines Lächelns kannte ich, es wollte sagen: ‘Die Ehe einer Frau mit einem Homosexuellen, das zählt nicht, das ist eine Scheinehe.‘ Es war das Lächeln derer, die das Weibliche bei Männern verleugnen und nicht sehen können, dass nur ein Homosexueller eine Frau so sehr und so ausschließlich lieben kann. Nein, für diese Leute müssen die Lüste einfach und geradlinig sein. Und diese beiden versuchten gerade, etwas anderes herzustellen, sich ein wenig neu zu erfinden, sich neu aufzubauen. Man muss sagen, dass sie mit den Ruinen Deutschlands und ihnen selbst, Ruinen an Körper und Seele, mit einem gewissen Vorteil starteten, das heißt bei Null, weniger als Null, das ist das Gute an Kriegen, an Krankheiten, wie ihr Dichterphilosoph sagte, jener, der am Ende gern Pferden ins Ohr flüsterte: Nur wo Gräber sind, gibt es Auferstehungen.”*

*Auszug aus: Jean-Jacques Schuhl, „Ingrid Caven“, Eichborn Verlag